Dieser Artikel erschien zuerst am 20. Januar 2013 im Blog der Parapsychologischen Beratung meines besten Freundes Alex Schestag, nachdem er mich gefragt hatte, ob ich mal was über die möglichen technischen Hintergründe sogenannter Geisterfotos bei ihm bloggen könnte. Alex ist im Juni gestorben und seine Blogs sind mit seinen beiden Servern allesamt aus dem Netz verschwunden. Daher republiziere ich diesen Artikel hier.
Im Netz tauchen immer wieder sogenannte „Geisterfotos“ auf, also Fotos, auf welchen Menschen Geistererscheinungen erkannt haben wollen. Bis auf vielleicht ganz wenige, für die es (noch) keine Erklärung gibt, sind diese Fotos nachweisbar – versehentlich oder absichtlich – auf überwiegend technischem Wege entstanden.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie solche „Geisterbilder“ zustande kommen können:
- Mehrfachbelichtung oder Überlagerung
- Langzeitbelichtung
- Reflexionen
- Schatten
- technische Fehler
- Nicht technisch: Pareidolie
Mehrfachbelichtung / Überlagerung

Doppelbelichtung: Plüsch-Frosch und Häuserfront
In der analogen Fotografie kann es vereinzelt passieren, daß der Filmtransport klemmt und ein bereits belichtetes Bild ganz oder teilweise noch einmal belichtet wird. Damit gelangen zwei Abbildungen auf ein Negativ oder Dia, die möglicherweise gar nichts miteinander zu tun haben. Das zweite Motiv überlagert dabei teilweise das erste, und das ganze Bild wirkt halb transparent.
Aber viele Analog-Kameras bieten auch die Möglichkeit, solche Bilder absichtlich herzustellen. Bei analogen Kameras ist nach einmaligem Auslösen ja erst einmal der Auslöser blockiert. Um weiter fotografieren zu können, muß man einen Spannhebel betätigen, der zum einen den Auslöser wieder freigibt („spannt“) und zum anderen den Film um eine Bildbreite weitertransportiert. An vielen Kameras gibt es nun einen zusätzlichen Knopf, den man während des Weiterziehens festhalten kann. Dann wird nur der Auslöser wieder freigegeben, aber der Filmtransport verhindert. Somit sind zwei oder mehr Belichtungen auf ein Bild möglich.
Mit Dias läßt sich der Effekt auch noch erzeugen, indem man einfach zwei oder mehrere Dias in ein Rähmchen klemmt. Davon könnte man dann natürlich wieder Dia-Kopien oder Foto-Abzüge machen lassen. Allerdings wird das Ergebnis im allgemeinen recht dunkel werden, da im Gegensatz zu einer echten Mehrfachbelichtung die Überlagerung wesentlich stärker ist. Wenn man es allerdings drauf anlegt, Dias später zu kombinieren, muß man die Motive gut aufeinander abstimmen und ggf. absichtlich etwas überbelichten.
In der digitalen Fotografie kann man an der Kamera selbst weder versehentlich noch absichtlich zweimal auf dasselbe Bild belichten. Denn sobald der Verschluß nach dem Auslösen wieder geschlossen ist, beginnt die Elektronik damit, das Bild zu verarbeiten und auf die Speicherkarte zu schreiben. Der Sensor „weiß“ damit bei der nächsten Aufnahme nichts mehr von der vorherigen.
Wenn man digitale Bilder überlagern möchte, muß man deshalb auf ein Bildbearbeitungsprogramm zurückgreifen und die Bilder im Nachhinein überlagern. Hier ist der Effekt von „Mehrfachbelichtungen“ also nur noch absichtlich, aber nicht mehr versehentlich möglich.
Je nach gewählten Motiven können bei solchen Mehrfachbelichtungen „Geisterbilder“ entstehen. Der Eindruck kommt vor allem dann zustande, wenn auf einem der Bilder ein Mensch, ein Abbild von einem Menschen (Foto, Gemälde, Fernsehbild etc.) oder auch zum Beispiel eine Puppe zu sehen ist. Der Mensch oder die menschlich erscheinende Abbildung ist dann von etwas anderem teilweise überlagert, sodaß die Gestalt halb durchsichtig erscheint. Auch kann der Eindruck entstehen, daß da ein Mensch oder ein Teil eines Menschen in der Luft schwebt.
Langzeitbelichtung

Transparent durch Langzeitbelichtung: Die Person stand nicht während der gesamten Belichtungszeit an der Stelle, sondern lief währenddessen weg.
Bei Langzeitbelichtungen ist der Effekt ähnlich. Die Definition von Langzeitbelichtung legt wohl jeder ein wenig anders; im allgemeinen versteht man darunter aber Belichtungszeiten, die man üblicherweise nicht mehr ohne Stativ oder Kameraauflage „aus der Hand“ halten kann, ohne dabei Unschärfen zu erzeugen. Die meisten Menschen können auf diese Weise nicht mehr als 1/8 oder 1/6 Sekunde halten und müssen sich dafür dann schon irgendwo anlehnen.
Einen schönen „Geistereffekt“ kann man mit Belichtungszeiten ab etwa 20 Sekunden erzeugen. Bewegt sich dabei ein Mensch durch das Bild und bleibt für einen Teil der Belichtungszeit an einer Stelle stehen, hat man schon einen „Geist“ fotografiert.
Für Interessierte, die den Effekt nachstellen möchten: Man benötigt einen Raum (kann auch im Freien sein), der nicht zu hell ist und wo man üblicherweise für genügend helle Bilder den Blitz verwenden würde. Ein hoher Blendenwert erzeugt eine schön hohe Tiefenschärfe, der dem Bild mehr Seriosität vermittelt als eine überwiegend unscharfe Umgebung. Daher sollte man, sofern man das beeinflussen kann, auch den ISO-Wert schön klein halten, um das Bild (bis auf den „Geist“) so scharf wie möglich zu bekommen.
Schummriges Kunstlicht, eventuell sogar in verschiedenen Farben, verstärkt den „Geister“-Effekt, ist aber nicht notwendig.
Um die vorgesehene lange Belichtungszeit halten zu können, benötigt man natürlich ein Stativ oder zumindest eine feste Auflage für die Kamera. Ein Fernauslöser schadet nicht; ist ein solcher notwendig, aber nicht greifbar, hilft es, die in vielen Kameras eingebaute Auslöse-Verzögerung zu verwenden.
Die Person, die als „Geist“ auftreten soll, sollte sich für etwa 1/3 der Belichtungszeit an einer Stelle aufhalten, die von der Kamera erfaßt wird, und ansonsten ganz aus dem Bild verschwinden. Dabei gehe ich von Belichtungszeiten zwischen 20 und 60 Sekunden aus. Hält sich die Person, die den „Geist“ spielen soll, zu lange an derselben Stelle auf, dann entsteht ein zu deutliches, wenn auch verwaschenes Bild von ihr, das nicht mehr unbedingt als „Geist“ interpretierbar ist, weil es nicht überlagert wird, sondern einfach nur sehr unscharf ist.
Scharfe Abbildungen von Personen sind bei Belichtungszeiten von mehr als 1/20 Sekunde sowieso nicht mehr zu erwarten. Menschen bewegen sich ständig, auch wenn sie es nicht merken. Den Effekt kann man nachweisen, indem man einer Person sagt, sie möge bitte einmal für eine Minute völlig still stehen, und sie dann beobachtet. Der Gleichgewichtssinn ist dabei ständig damit beschäftigt, den Körper in Balance zu halten, und dafür werden minimale Bewegungen ausgeführt, die wir aber selbst nicht bewußt wahrnehmen. Die Kamera dagegen „sieht“ das natürlich, und Bewegung während der Belichtungszeit erzeugt Unschärfe.
Reflexionen

Zugfahrt entlang der Rheinstrecke; rechts im Bild kann man das Spiegelbild eines Menschen sehen.
Etwas anders sieht es bei Reflexionen aus. Menschen oder Abbildungen von Menschen können sich in reflektierenden Oberflächen spiegeln und werden dann auf Fotos scheinbar leicht transparent und oft auch mehr oder weniger verzerrt wiedergegeben. Als Reflexionsflächen kommen dabei natürlich vor allem Spiegel und Glasscheiben in Betracht, also Fenster aller Art, Fernseh-Bildröhren, Glastische, Glasscheiben in Türen oder Schränken usw.
Solche Aufnahmen „funktionieren“ im allgemeinen nur, wenn kein Blitzgerät eingesetzt wird. Reflexionsflächen erzeugen bei Blitzlicht üblicherweise häßliche helle bis weiße Flecken im Bild, und dann sind keine Reflexionen mehr erkennbar.
Die Reflexion muß dabei vom Fotografierenden nicht unbedingt sofort bemerkt werden oder beabsichtigt sein. Wenn man beispielsweise aus einem fahrenden Zug aus dem Fenster nach draußen fotografiert, während drinnen das Licht eingeschaltet ist, spiegelt sich die Person, die einem gegenüber am Fenster sitzt, fast automatisch im Bild; je heller das Kunstlicht gegenüber dem Licht von draußen ist, desto stärker ist die Reflexion.
Auch generell achtet man ja üblicherweise beim Fotografieren auf das Hauptmotiv und nicht unbedingt auf Reflexionen oder andere Dinge am Rande. Somit kann es passieren, daß die Reflexionen erst später auffallen und sich der Fotografierende gar nicht daran erinnern kann, davon beim Erstellen des Bildes etwas gesehen zu haben.
Schatten

Links neben dem Grenzstein ist der Schatten des Fotografen.
Schatten von nicht im Bild befindlichen Personen (auch des Fotografierenden selbst) können, je nach Motiv, ebenfalls etwas geisterhaft wirken. Besonders gilt das für eine Kombination mit Reflexionen, wenn der Schatten als Spiegelbild auftaucht und dann vielleicht noch ein wenig verzerrt wird.
Technische Fehler

Etwas mehr als drei Viertel des Bildes sehen aus wie ein blaues Negativ, außerdem ist das Motiv gegenüber dem normal aussehenden Rest ein Stück nach unten gerutscht.
Bei digitalen Bildern gibt es vereinzelt den Effekt, daß die Bilddateien bei der Verarbeitung in der Kamera oder beim Kopieren von einem Speichermedium auf ein anderes beschädigt werden. Auch wenn die Kamera oder die Speicherkarte defekt ist, können, sofern die Bilder noch ausgelesen werden können, interessante Effekte zustande kommen. Ausführlicher hat das
Audrey in ihrem Vortrag beim 26C3 – Photography or the art of doing it wrong – beschrieben. Mir ist sowas ebenfalls schon passiert, wie man auf diesem Bild erkennen kann.
Auch hierbei ist es natürlich möglich, daß Menschen (oder Abbildungen von Menschen) überlagert, transparent und/oder verzerrt wiedergegeben werden.
Nicht technisch: Pareidolie

Teletubbie oder Alien? Da kann man sich schon beobachtet fühlen.
Es gibt aber auch noch Erklärungen für „Geister“ auf Fotos, die überhaupt nichts mit Technik zu tun haben, wie beispielsweise Pareidolie. Das ist keine Krankheit, sondern die natürliche Eigenschaft unseres Gehirns, auch in sinnlose optische Eindrücke etwas hineinzuinterpretieren. Bekannte Beispiele sind der Blick in die Wolken, um darin Tiere, Menschen oder Gegenstände zu „erkennen“, oder auch das „Marsgesicht“. Nähere Informationen liefert die Wikipedia unter dem Stichwort Pareidolie.
So können natürlich auch in Fotografien „Geister“ hineininterpretiert werden, wo keine sind. Typische Motive dafür sind, wie in diesem Beispiel, Wolken, oder auch Laubbäume.
(persönliches) Fazit
Es ist grundsätzlich davon auszugehen, daß sogenannte „Geisterfotos“ keine Abbildungen von „Geistern“ (wie immer man diese definieren mag) zeigen. Sofern wir in die Bilder nicht etwas
hineininterpretieren, liegen üblicherweise absichtliche oder versehentliche technische Gründe vor, warum wir in einem Foto etwas erkennen, was eigentlich gar nicht (oder nicht so, wie wir es sehen) vorhanden ist.
Auf der anderen Seite vermute ich, daß Geistererscheinungen, die Menschen erlebt (und nicht nur auf Fotos gesehen) haben, grundsätzlich nichts mit der klassischen Physik (Bereich Optik) zu tun haben. Optik und damit Fotografie braucht Licht und etwas Körperliches, das dieses Licht reflektieren kann. Die Wahrnehmung von Geistererscheinungen dürfte sich aber eher direkt im
Gehirn abspielen, sodaß es einfach nichts gibt, was eine Kamera erfassen könnte.
Nachtrag zur Wiederveröffentlichtung
Die Angabe, daß Digitalkameras keine Mehrfachbelichtungen erzeugen können, hat sich seitdem überholt. Hochwertigere Kameras können das mittlerweile.
Die hier gezeigte „Mehrfachbelichtung“ mit dem Plüsch-Frosch ist allerdings gar keine; das Bild hatte ich aus zwei unterschiedlichen Fotos mit GIMP zusammengesetzt, weil ich gerade nichts Passendes greifbar hatte.
Ganz neu ist das Beispiel-Bild für Schatten. Das damals verwendete Bild hatte ich nicht mit den anderen abgespeichert, und ich weiß nicht mehr, welches ich da verwendet hatte. Ersetzt habe ich es durch ein Foto aus 2018. Viele Bilder mit Schattenwurf von mir habe ich nicht; ich versuche das nämlich möglichst zu vermeiden.
… und noch ein Nachtrag nach Veröffentlichung: Holger machte mich via Mastodon auf einen Artikel aufmerksam, der sich mit der Geschichte der Geisterfotografie befaßt und den ich recht lesenswert finde. Für Audiophile: Den Artikel gibt’s auch als Podcast.