Auf Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen zu fotografieren ist immer etwas tricky. Alles ist ständig in Bewegung, und „neben“ dem Fotografieren muß ich auch auf mein direktes Umfeld achtgeben, damit ich nicht in jemanden hineinlaufe oder mir jemand anderes ungewollt an die Kamera kommt. Und weil ich nicht sonderlich groß bin, kommt für mich das Problem dazu, daß das mit dem Überblick manchmal etwas schwierig wird.
Ein weiterer Aspekt besteht darin, daß es Demos gibt, bei denen auf den publizierten Bildern hinterher besser keine Gesichter erkennbar sind. Denn Rechtsextremisten freuen sich über jedes Foto, mit dem sie nach ihren „Gegnern“ suchen und zu Gewalt gegen sie aufrufen können. Je größer und deutlicher ein Gesicht zu sehen ist, desto lieber ist es ihnen. Betroffen sind im Prinzip alle Demos zu Themenbereichen, die als „politisch links“ eingeordnet werden: Antifaschistische und antirassistische Demos und Kundgebungen, Solidaritätsveranstaltungen für Geflüchtete oder, wie in Düsseldorf vor zwei Tagen, gegen einen rechtsterroristischen Anschlag (Hanau, 19.02.2020), oder die kurdische Kundgebung für Rojava im Oktober 2019 am Düsseldorfer Hauptbahnhof.
Es wirkt widersprüchlich: Aus den Fotos soll zwar die Teilnahme erkennbar sein, jedoch nicht die teilnehmenden Menschen. Zum Schutz der teilnehmenden Menschen muß der Widerspruch aufgelöst werden, wenn trotzdem klar werden soll, daß sich da Menschen für die Sache engagieren und möglichst auch, wie viele. Bilder sagen schließlich mehr als Worte, und es läßt sich nicht verleugnen, daß wir Menschen von Bildern stärker beeindruckt werden als nur von geschriebenem Text.
Daher habe ich mir angewöhnt, Fotos von einem Demo-Zug möglichst von hinten und Fotos von einer Kundgebung von außen“ her zu machen: Man sieht die teilnehmenden Menschen, aber man erkennt sie nicht. Wenn ein Gesicht nun doch recht deutlich zu sehen ist, muß The GIMP ran: In der Fotobearbeitung überdecke ich solche Gesichter mit der Pinsel-Funktion. Dabei verwende ich unterschiedliche Objekte; meistens ist es einfach ein gefüllter schwarzer Kreis. Bei der oben genannten kurdischen Kundgebung habe ich den Kreis in gelb ausgegeben, weil das die Farbe der Bewegung ist. Bei Veranstaltungen der Piratenpartei setze ich gelegentlich auch mal das Parteilogo ein (siehe Piraten-Infostand in Düsseldorf, 25.05.2019). Und zwischendurch habe ich aus dem Standard-Pinsel-Repertoire von The GIMP auch mal die Paprikaschote auf die Gesichter geklebt. 😉
Im Album Demo „Keine rechten Schläger in D-Eller“ habe ich das anders gemacht und die Gesichter „verschmiert“. Das ist allerdings wohl nicht das Optimum, denn es soll Techniken geben, um die „Schmierer“ wieder zu den ursprünglichen Gesichtern zu rekonstruieren. Allerdings gehe ich davon aus, daß vor allem Ermittlungsbehörden so etwas können. Ich wende diese Technik mittlerweile nicht mehr an und verdecke die Gesichter lieber vollständig; damit ist eine Rekonstruktion durch Dritte nicht mehr möglich.
Menschen, die bei solchen Veranstaltungen Reden halten, nehme ich dabei aus. Denn sie sind buchstäblich das Gesicht bzw. die Gesichter der Demonstration oder Kundgebung. Hier versuche ich im Gegenteil, die Reden, wenn ich nah genug herankomme, auf Video aufzuzeichnen. Vor Sommer 2018 habe ich dafür ein Smartphone benutzt; leider haben die Kameras in meinen Smartphones nicht gerade eine berauschende Qualität, aber die Bewegtbilder sehe ich hier mehr als Unterstützung; relevanter ist ja die Rede. Seit ich die Canon EOS 750D habe, nehme ich diese nach Möglichkeit, um Reden aufzuzeichnen. Sie zeichnet in Full-HD auf, und das eingebaute Mikrofon ist ziemlich gut. Beispiel: Ansprache von Oberbürgermeister Thomas Geisel bei der Soli-Kundgebung für Carola Rackete auf dem Düsseldorfer Marktplatz am 1. Juli 2019.
Natürlich kann ich auch Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen im Auftrag fotografisch begleiten. Die Grenze setze ich dabei bei solchen Veranstaltungen, bei denen zu befürchten ist, daß fotografierende und filmende Menschen angegriffen werden.